Zuerst dein Begriff MSA ist mir unbekannt. Ich hoffe, der Begriff ist nicht entscheidend, um auf deinen Beitrag einzugehen. Eine Alternative muss aus meiner Sicht eine Situation nicht verkomplizieren, sondern mindestens ähnliche Ergebnisse verursachen. Ich bin nicht derjenige, der algerisch zu definieren hat. Ich stelle fest, dass es ihn gibt. Ich stelle auch fest, dass er sehr stark vom Hocharabischen abweicht, auch wenn er mit ihm genetisch verwandt ist. Wenn so etwas als Realität von allen festgestellt wird, entscheidet sich die zuständige Führung, ein Gremium zu bilden, der u.a. aus Linguisten und Pädagogen besteht, um den Inhalt nach entsprechenden Maßstäben zu definieren. Mir ist es klar, dass es regionale Varianten im Algerischem gibt. Das ist eben die Aufgabe der Fachleute nach wissenschaftlichen Kriterien, zu entscheiden, was zugelassen wird und was nicht. Frankreich (was ich ungern als Vorbild nehme) hat eine sogenannte Französische Akademie, die zulässt oder hindert, was zum Französischen gehören soll und was nicht. Ich habe deswegen das Beispiel vom Auto in meinem letzten Beitrag erwähnt. Wie gesagt, eine Alternative kann man erst (wie ein Medikament) anbieten, wenn man die Nebenwirkungen analysiert hat. Ein Beispiel von den Nebenwirkungen hast du bereits bei deinen Verwandten festgestellt.
Die Verfechter der arabischen Sprache sind sogar für die "Abtötung" von diesen Dialekten. Sie sehen sie eher als "Konkurrenz" statt eine Bereicherung für das Hocharabische. Die algerischen Dialekte sind Teil des Kulturerbes und der Persönlichkeit der Algerier. Wie kann man nur seine eigene "Kultur" mißachten? Man sollte sie eher pflegen und schützen, damit sie sich entwickeln.
Man muss auch sagen, dass die Sprache nach der Unabhängigkeit gar keine Priorität für die Machthaber darstellte. Irgendwann dachten die "Denker" der Nation, sogar Englisch statt Französisch als erste Fremdsprache in der Schule zu unterrichten.
MSA – modern standard arabic, wird das Hocharabisch bezeichnet, welches normalerweise an Universitäten, Schulen usw. unterrichtet wird. Ich weiß aber nicht, ob der Begriff nur für Arabisch als Fremdsprache verwendet wird. Der Begriff soll den Unterschied zum klassischen Hocharabisch des Korans verdeutlichen.
Dann sind wir uns ja einig, es muss bzw. müsste ein Gremium oder wie auch immer man es nennen will, gebildet werden, die sich dieser Problematik annehmen und Ihre Entscheidung behutsam umsetzen.
„Die Verfechter der arabischen Sprache sind sogar für die "Abtötung" von diesen Dialekten. Sie sehen sie eher als "Konkurrenz" statt eine Bereicherung für das Hocharabische. Die algerischen Dialekte sind Teil des Kulturerbes und der Persönlichkeit der Algerien.“
Das Problem kennen wir Deutschen ja auch. Die Dialekte existieren zwar noch, aber in manchen Regionen, Gesellschaftsschichten und Kreisen gelten sie heute als verpönt.
Goethe, einer der größten Dichter und Denker seiner Zeit sagte: „Jede Region liebt ihren Dialekt, sei er doch eigentlich das Element, in welchem diese Seele ihren Atem schöpfe.“ In dieser Aussage steckt viel Wahrheit.
bevor ich auch ins Bett gehe, schreibe ich noch etwas. Zuerst danke für die Erklärung der Abkürzung MSA. Ich fürchte, dass die Dialekte in Deutschland nicht vergleichbar mit der Situation in Algerien sind. Ich probiere es über ein Beispiel. In Deutschland ist es normal z.B. einen deutschen Film im Fernseher auf hochdeutsch zu sehen (obwohl es viele Dialekte gibt). Das ist ja die Regel. So etwas ist bis heute (und wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten)unvorstellbar in Algerien. Ein algerischer Film auf MSA. Eine algerische Tragödie (als Film) auf hocharabisch würde, wenn sich jemand überhaupt wagen würde, im besten Falle wie eine Komödie erscheinen. Ich kann vorstellen, dass jemand so wie du, der sich die Mühe gemacht hat, arabisch zu lernen (was ich bewudere), eine Integration des Algerischen in die gelernte Sprache eine Belastung darstellen würde. Ich denke aber, dass die Situation in Algerien (wenn überhaupt) mit einer anderen Zeit in Deutschland vergleichbar wäre. Ich denke an die Zeit der Reformation, als Latein die einzige anerkannte Sprache war, und deutsch erst zu diesem Zeitpunkt anfing, zu existieren bzw. anerkannt zu werden, obwohl er längst von der Mehrheit gesprochen wurde.
Ich wünsche dir und allen anderen eine gute Nacht !
Vergleiche hinken immer, das war auch mehr als Beispiel gedacht, dass eine Sprache ihre Seele und damit Lebendigkeit verliert, wenn man versucht nur noch die Hochsprache gelten zu lassen. Es dient auch etwas dem Vorstellungsvermögen. Was man nicht kennt, kann man sich auch nur schwer vorstellen.
Im deutschsprachigen Raum gab es die Schwierigkeit sich auf eine gemeinsame Standardsprache zu einigen. Texte wurden häufig in der jeweiligen Mundart / Dialekt verfasst. Ein Friese hatte einen bayrischen Text auch nicht so einfach verstanden und umgekehrt. Es gab aber schon relativ früh (12Jh.) soetwas wie eine gemeinsame Dichtersprache. Auf jedenfall fand der Prozess in einer Zeit statt, wo die Massen so wie so nicht oder nur selten Lesen und Schreiben konnten und von daher nur eine kleine gebildete Elite betraf. Ich könnte mir vorstellen, dass das heute schon allein aufgrund der Medien schwieriger sein würde.
"Ich kann vorstellen, dass jemand so wie du, der sich die Mühe gemacht hat, arabisch zu lernen (was ich bewudere), eine Integration des Algerischen in die gelernte Sprache eine Belastung darstellen würde"
Einfach ist es sicherlich nicht, ob es eine Belastung ist, sei dahin gestellt, es könnte auch eine Herausforderung sein. Wir haben ja den Vorteil, dass wir Arabisch lernen dürfen und nicht müssen. Die Motivation ist meiner Meinung nach nicht unwichtig. Außerdem müssen wir uns auch schon heute mit einem oder mehreren der gesprochenen Dialekte beschäftigen, um nicht zu sagen "herumschlagen". Je nachdem was man mit der Sprache machen möchte. Die Schwierigkeit besteht so und so bereits, da haben wir keine Wahl und manchmal ist man auch am Verzweifeln und fragt sich, warum man sich quält.
Mir macht es inzwischen Spaß Gemeinsamkeiten zu entdecken, die mir früher überhaupt nicht aufgefallen wären. Na ja, der nächste Frust kommt bestimmt auch irgendwann einmal wieder.
So ich muss jetzt zur Arbeit und ich wünsche dir einen angenehmen stressfreien Arbeitstag.
habe eine Dateianlage auf Seite 7 im Beitrag vom 16.07.07 um 21:35 gepostet, die nicht funktioniert. Hier noch Mal das Interview von Werner Ruf
Die Welt
"Das Militär ist der tatsächliche Inhaber der Macht"
Algeriens Präsident will mit einer General-Amnestie einen Schlussstrich ziehen unter die blutigen Jahre des Bürgerkriegs. Das sei der falsche Weg, meint der Politikwissenschaftler und Algerien-Kenner Werner Ruf.
DW-WORLD: Welche Bedeutung hat dieser Schritt für die Zukunft Algeriens?
Prof. Werner Ruf: Die von Präsident Bouteflika vorgelegte und mit großer Propaganda gerade auch in den staatlichen Medien beworbene "Charta" soll einen Schlussstrich setzen unter die "blutigen Jahre" des Bürgerkriegs, des Terrors islamistischer Gruppen sowie des staatlichen Gegenterrors. Allerdings ist inzwischen klar, dass der staatliche Gegenterror massenhaft Menschen verdächtigte, verhaftete, folterte und viele von ihnen ermordete und "verschwinden" ließ. Oft bedienten sich die Geheimdienste dabei auch islamistischer Gruppen, die sie unterwandert hatten. So sind nach Angaben algerischer Menschenrechtsgruppen bis zu 18.000 Menschen "verschwunden". Eine von Präsident Bouteflika eingesetzte staatliche Untersuchungskommission listete insgesamt 6.142 Fälle auf, die wegen der Handlungen staatlicher Organe "verschwunden" sind. Nach der Aussage des Kommissionspräsidenten Ksentini ist der Staat hierfür zwar "verantwortlich", aber nicht "schuldig". Die Familien dieser Opfer sollen eine Entschädigung erhalten. Die Organisationen der Familien der "Verschwundenen" aber fordern Aufklärung und Bestrafung der Schuldigen. Ungeklärt sind und bleiben ebenfalls die fürchterlichen Massaker ganzer Ortschaften, bei denen Dutzende, in mehreren Fällen Hunderte von Menschen abgeschlachtet wurden. Zu befürchten steht, dass eine solche klammheimliche Amnestierung der Täter und der Verantwortlichen, die in den höchsten Rängen des Militärs zu suchen sind, Algerien keinen Frieden bringen, sondern Misstrauen, Rache und private Fehden befördern. Die zur Abstimmung stehende Charta kann das Vertrauen in den Staat nicht herstellen – ganz im Gegenteil: Der so handelnde Staat erscheint weiterhin als Agent der herrschenden Clique aus Militär, Geheimdiensten und Pfründenjägern, da er Verantwortung für die Gräueltaten der Vergangenheit zwar anerkennt, ihre Aufklärung aber verhindert.
Erfüllt Bouteflika damit seinen Teil der stillen Übereinkunft mit den dereinst mächtigen Generälen, die 2004 seine Wiederwahl akzeptierten?
Genau dies trifft zu. Zwar hat Bouteflika die ranghohen Militärs, die 1992 putschten und die im Gang befindlichen ersten freien Wahlen in Algerien beendeten, zum größten Teil inzwischen pensioniert oder auf Botschafterposten versetzt. Es scheint aber, dass das am 29. September anstehende Referendum genau das Manöver ist, um sie nun vor jeder Strafverfolgung zu schützen. Genau das dürfte die Vereinbarung gewesen sein, aufgrund derer die alles entscheidenden Militärs die Wahl Bouteflikas zum Präsidenten möglich machten. Die zur Abstimmung stehende Charta ist daher der Schlusspunkt in einem Prozess, der den Generälen Straffreiheit sichern soll.
Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien ziehen gegen "Straffreiheit für Bürgerkriegsverbrecher" zu Felde - eine Amnestie untergrabe "die Wiederherstellung rechtsstaatlicher Zustände" und behindere den Weg Algeriens zum nachhaltigen Frieden, kritisiert Amnesty International. Teilen Sie diese Einschätzung?
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.
Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika will den Neubeginn - zu seinen Bedingungen. Gibt es zur Zeit realistische Alternativen zu diesem Weg der nationalen Versöhnung?
Den Weg zur nationalen Versöhnung gäbe es, wenn er politisch gewollt wäre. Voraussetzung dafür wäre aber eine unabhängige Justiz, die die Vergangenheit aufarbeitet und diejenigen zur Verantwortung zieht, die für die massenhaften Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Dies jedoch ist nicht möglich, da das Militär und der militärische Sicherheitsdienst als Struktur nach wie vor die tatsächlichen Inhaber der Macht sind. Sie sind es, die den Staat in Besitz genommen haben und deshalb die Schaffung rechtsstaatlicher Verhältnisse verhindern. Von nationaler Versöhnung kann so lange nicht gesprochen werden, wie die massenhaft begangenen Verbrechen ungesühnt bleiben.
Werner Ruf ist emeritierter Professor für Internationale und intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik. Bis 2003 lehrte und forschte er an der Universität Kassel. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind Friedensforschung und Dritte-Welt-Forschung (vor allem Nordafrika/Nahost, Schwarzafrika).
Ich höre beides sehr gerne, nur schade, dass der Ruf des Muezzin hier so unerwünscht ist. Kirchenglocken hört man ja auch nicht mehr so regelmässig wie früher, zumindest hier im Ruhrgebiet nicht. Für mich bedeuten sie ein Stück Beständigkeit und Hoffnung, denn der mangelnde Glaube ist in meinen Augen Ursache für viele zwischenmenschliche Probleme. Und wenn ich im Net den Gebetsruf aus Algerien höre, bekomme ich wohlige Gänsehaut obwohl ich Christin bin LG