wie ich es bereits in einem anderem Forum vorgeschlagen hatte, hätte ich gerne Eindrücke gelesen, die sich auf erste Beobachtungen in beiden Ländern beziehen. Ich weiss dieses Forum ist neu und ich habe es nicht eilig, hoffentlich werden mehr Menschen darauf stoßen und interessante Diskussionen "entfachen".
was mir so auffällig beim ersten Aufenthalt war: die Sauberkeit überall, der gute Zustand der Straßen. Alles Millimetergenau, alles nach ISO-Norm.
Was? Frauen um Mitternacht, um 2 Uhr früh draußen? Wer hat die Hosen hier an?
Im Gegensatz zu Algerien, Kinder hörte man kaum. Wo waren sie, fragte ich mich oft. Ruhig sind die Deutschen. Ja, das auch noch! Wo sind die Wäsche der Deutschen? Waschen sie Ihre Kleidung nicht oder was?
Einmal fragte mich ein Deutscher bei Bosch, worüber sich die beiden Araber streiteten. Ich antwortete, dass sie sich nur unterhielten. Ach ja? Was wäre dann, wenn sie sich streiten würden, meinte der Deutsche ironsch!
Ich nutze die Mittagspause, um mein Beitrag von einem anderen Forum hierher zu bringen.
Auffallend für jemanden, der aus Nordafrika und vielleicht aus dem ganzen Mittelmeerraum kommt, ist die bessere Organisation in vielen Bereichen in Deutschland. Im Süden dominiert eher die Improvisation. Auf einem Bus zu warten zum Beispiel in meiner Heimat gleicht einem Glücksspiel. Die Frage wäre dort nicht, um wie viel Uhr ein Bus kommt sondern, ob er überhaupt kommt. Er könnte ja eine andere Strecke wegen Staus genommen haben. Bei meinen ersten Busfahrten in Deutschland hatte ich oft die gewünschten Bussen verpasst, weil ich mich noch nicht vorstellen konnte, dass sie so pünktlich sein können. Nun 18 Jahre später rege ich mich auf, dass ein Bus drei Minuten Verspätung hat. Ist ein Anzeichen von Integration ? Um bei dem Beispiel der Bussen noch ein wenig zu bleiben, fiel mir sofort die Ruhe auf, die darin herrscht, wenn Kinder abwesend waren. Wenn niemand erkältet ist, hören sie kaum die Stimme eines Anwesenden während der Fahrt. Dagegen teilt ihnen die Stimme eines "Abwesenden" den Namen der nächsten Station mit. Der Bus in meiner Heimat war ein sozialer Treffpunkt, wo zwischen Unbekannten Beratung in verschiedenen Bereichen stattfindet, gesellschaftliche Themen debattiert werden, Liebesgeschichten beginnen oder enden. Man könnten sich an bestimmten Themen beteiligen und sich bei anderen zurücknehmen. Die Fahrgäste im vorderen Teil des Busses in meiner Heimat scheinen immer „schüchtern“ zu sein, sie sind in der Regel bereits am längsten im Bus und haben bis dahin ihr Pulver bereits verschossen. Die Fahrgäste, die sich im hinteren Teil des Busses aufhalten, wo die Eingangstür sich Befindet, geben den Ton an. Der Busfahrer hat oft in dieser Unruhe die Rolle eines Vermittlers und seltener sogar eines Erpressers bei unlösbaren Konflikten, denn da wird die Fahrt unterbrochen, solange ein Konflikt andauert. Der Busfahrer in meiner Heimat entspricht der Funktion eines Sozialarbeiters in Deutschland, denn Busfahren allein würde diese Branche unattraktiv und auf Dauer langweilig machen. Ich musste mich nun hier im besten Falle mit einem erwiderten „Grüß Gott“ des Busfahrers begnügen, was mir am Anfang schwer fiel, denn Menschen, die nicht reden, öffnen Tür und Tor zu vielen Spekulationen und Vorurteile. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ ! Dies muss das Motto der Fährgäste hier sein. Sie könnten sich mit Silber nicht „begnügen“. Auf der einen Seite sage ich mir, das Schweigen hier hat ein positive Folge. Es können keine Konflikte entstehen, wenn man miteinander nicht redet. Im besten Falle sieht man sich an. Auf der anderen Seite in meiner Heimat, wenn zwei Menschen desselben Geschlechts sich „länger als nötig“ anschauen, bahnt sich oft ein Konflikt an. Einer oder eine wird immer den Anderen oder die Andere bösartig fragen. Warum schaut du mich so an ? und dann geht es los. Das Bedürfnis zu wissen, wo der Andere steht, ist viel größer als jede Form von Höflichkeit, die besagt, das man Fremde nicht anspricht. Man will genau wissen, was der andere denkt. Wenn die „Kontrahenten“ verschiedenes Geschlechts sind, ist es eine ganz andere Angelegenheit. Mindestens ein von beiden wird sich in der Regel geschmeichelt fühlen. Ein Gespräch zwischen den Beiden ist nicht unbedingt die Folge. So ein Verhalten könnte international sein.
Noch einige meiner ersten Eindrücke in Deutschland vor langer Zeit. Ich wunderte mich zum Beispiel das erste Mal, wo ich mit zwei Kommilitonen zum Cafe gegangen bin. Bevor wir uns trennen, bezahlt jeder für sich sein Getränk. Bei mir zu Hause hätte die Kosten immer nur einer übernommen, und zwar derjenige, der „am schnellsten“ gegenüber der Bedienung reagiert hätte. Meistens ist es derjenige, der angeboten hat, zum Cafe zu gehen. Rational gesehen war dieses Verhalten hier für mich verständlich. Emotional ist dagegen das Verhalten in meiner Heimat genauso verständlich, man will dem oder den Anderen damit vermitteln, man habe sich gefreut mit ihnen gewesen zu sein. Was man aber mündlich eher selten mitteilt, Andererseits ist es hier normal seinen Bekannten gegenüber explizit zu äußern, dass man sich gefreut hat, um eine Tasse Kaffee ihnen begegnet zu sein.
Nach dem Cafe entdeckte ich das Einkaufen in Deutschland Eigentlich braucht man in Deutschland keine Sprache bzw. Kommunikation, wenn man einkaufen geht. Die sogenannten „Tante Emma“ Geschäfte scheinen hier längst der Vergangenheit zu gehören. Über ein Produkt gibt es hier keine Zeit sich zu unterhalten. Sie holen ihren Produkt stecken es in einem Wagen, an der Kasse teilt er selbst sein Preis mit (wie ein Algerier bereits erzählte), ohne mit sich verhandeln zu lassen. Woher er stammt und wie lange er haltbar ist, steht auf der Etikette geschrieben. Eine Kommunikation mit dem Verkäufer ist gar nicht nötig, sie könnte ein unerwünschtes „Stau“ verursachen. In meiner Heimat und meinen Stadt gibt es eine Kultur und fast eine Kunst des Einkaufens, wofür man gut „ausgebildet“ werden sollte. In aller Regel scheint dort diese Kunst, in der Stadt, geschlechtspezifisch gesehen, hauptsächlich den Frauen zu gehören. Ohne Kommunikation sei sie nicht vorstellbar. Abgesehen von der Zeit, stellen Detektivarbeit, Geduld und Beharrlichkeit drei wichtige Voraussetzungen dar, die eine Einkäuferin besitzen muss. Rational wirtschaftlich gesehen, ist für mich die Art des Einkaufens hier mehr als verständlich. Die Geschwindigkeit und Sprachlosigkeit, mit denen dies stattfindet, erlaubt u.a. wahrscheinlich einen deutlich größeren Umsatz. Emotional dagegen würde in meiner Heimat ein schweigender Einkauf ein Gefühl vom fehlenden Vertrauen und Gegenwehr beim Kunden verursachen. Auf der anderen Seite braucht auch der Verkäufer das Gefühl, ihnen (den Kunden) einen „Gefallen“ getan zu haben.
Ob man damit ein Teil des wirtschaftlichen Vorsprungs des Westens gegenüber dem Süden erklären kann, wäre wahrscheinlich noch verfrüht und anmaßend. Mir fiel aber auch auf, speziell bei Lebensmitteln etwa Obst- und Gemüseeinkauf, dass mein Geschmacksinn nach kurzer Zeit auf Kosten meines "Gesichtssinnes" nachzulassen schien. Dieses Gefühl begleitet mich bis heute noch und wird von mir manchmal wie eine Formel benutzt, die ich auf viele Bereiche übertragen kann. In meiner Heimat waren Gemüse und Obst viel kleiner und weniger schön äußerlich, dagegen war der Geschmack viel intensiver, hier war es genau das Gegenteil. Ich sagte mir aber, das ist sicher eine Geschichte von Zeit, dass im Rahmen der „Globalisierung“, sich die Gemüse und das Obst weltweit äußerlich und geschmacklich anpassen werden. Die Verpackung stellte auch für mich eine Auffälligkeit dar. So schöne verpackte Waren hatte ich vorher kaum gesehen. In meiner Heimat schien die Verpackung der Waren eine lästige Angelegenheit für die Hersteller zu sein. Sie hätten dort wahrscheinlich gerne zum Beispiel die Milch und Öl und ähnliche flüssige Produkte gern in die Haushalte durch irgendwelche Schläuche und Röhre, wie Wasser und Gas geliefert, um sich die Verpackung zu ersparen, ohne, dass man von einem keimenden Umweltbewusstsein gesprochen hätte. Zusammengefasst fiel mir im lebenspraktischen Bereich die oft angesprochene fehlende Kommunikation und die schöne Verpackung auf.
das kenne ich auch! Aber einem Deutschen einen Kaffee zahlen gleiche bei manchen eine Beleidigung, habe ich den Eindruck. Er guckt Dich fragend an: "Wasch bik?" "Hast Du alle Tassen im Schrank?" Ich hab doch Geld. Bin kein Bettler, kein Schmarotzer! Bin finanziell selbständig! Scheint er zu sagen. Tut mit leid! Wollte Dich bloß einladen! Jeder für sich Gott für alle!
Das andere: Algerier sind Brotfresser. Einmal mussten wir, ich und mein Freund, Semmeln mit ins Restaurant. Brot kostet zusätzlich. Wir haben uns arrangiert, dass wir die Semmeln insgeheim auf den Tisch legten, eine nach der andere! Die Kellnerin hat nichts gemerkt.
Ohhh nein…soeben habe ich meine ersten Eindrücke in Algerien geschrieben und dann war alles weg, nun muss ich sie noch einmal aufschreiben……….
Ich kam 1982 aus der DDR nach Algerien. Ich war etwas aufgeregt und fragt mich, was mich in diesem unbekannten Land erwarten wird? Den Flughafen habe ich eigentlich gar nicht. Ich schmecke noch heute die feuchte salzhaltige Luft, so intensiv habe ich diesen Geschmack später niemals mehr wahrgenommen. Auf dem Flughafen wimmelte es von Menschen, meiner Meinung nach waren dort nur Männer anwesend. Ich schaute mich vorsichtig um und konnte ausser mir keine weitere Frau entdecken. Mich überkam ein unangenehmes Gefühl. Nach einiger Zeit entdeckte ich eine Gruppe Frauen die mit dem traditionellen weißen Haik bekleidet waren, einige andere trugen dien schwaren Melaya mit einem weißen Spitzentuch vorm Gesicht. Aus irgendeinem Grunde erinnerten sie mich an riesige schwarze Vögel. Bevor wir weiter nach Tébessa im Osten Algeriens flogen fuhren wir nach Bordj El Kiffan einem kleinen Ort östlich von Algier. Dort verbrachten wir die erste Nacht bei einem weit entfernten Verwandten meines Mannes. Ich erinnere mich an einen riesengroßen Berg von Apfelsinenschalen auf dem Tisch und den männlichen Verwandten, der für meinen Geschmack regelrecht in seinem Sessel „tronte“. Ich fragte mich heimlich, ob dieser Mann eine Gehbehinderung hatte, denn er bewegte sich kein einziges Mal aus seinem Sessel, selbst am nächsten Morgen, saß er immer noch (oder doch schon wieder) in diesem Sessel. Am nächsten Tag flogen wir weiter nach Tébessa wo uns ein Bruder meines Mannes abholte. Auf dem Weg zum Haus meiner Schwiegereltern staunte ich über die vielen halbfertigen Häuser, die auch Jahre später noch unfertig aussahen. Das Haus meiner Schwiegereltern war voll gestopft mit Leuten, die alles irgendwie miteinander verwandt waren. Der Schwiegervater bestand darauf, dass ich neben ihm sitze und er erzählte mir auf Französisch, wie mich mit meinem Foto bei den Verwandten bekannt machte. Damals hatte ich das nicht verstanden, diese Geschichte wurde aber Jahre später immer wieder erzählt, wie „Boui Hacène mit meinem Foto zu den Verwandten ging“. Am nächsten Tag kamen wieder sehr viele Leute, einige waren bereits am Vortag da, jedoch konnte ich mir nicht alle Gesichter merken. Am dritten Tag in Tébessa überkam mich dann große Trauer. Ich hatte an diesem Tag Geburtstag und dachte an meine Mutter, wie sie mir meinen Lieblingskuchen gebacken hätte und ich dachte daran, wie meine Eltern beim Abschied von ihrer einzigen Tochter geweint hatten. Ich saß da in meinem Elend und fragte mich, ob ich in diesem Land jemals eine Heimat finden werde und sehnte mich gleichzeitig zu meinen Eltern und wie wir diesen Tag gemeinsam verbracht hätten. In der Wohnung meiner Schwiegereltern fanden seltsame Aktivitäten statt, dass Wohnzimmer war für mich tabu und mein Gemütszustand verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde und ich konnte meine Traurigkeit und meine Tränen kaum noch verbergen. Irgendwann bemerkte mein Mann, dass etwas mit mir nicht stimmt, doch sein Versuch mich zu trösten, verstärkte das Gefühl meiner Traurigkeit zusätzlich. Daraufhin brachte er mich dann in das Wohnzimmer. Dort hatten die Schwestern einen riesigen Geburtstagstisch mit Geschenken für mich vorbereitet. Es gab Essen, Kaffee und Kuchen und in einer Ecke hatten sie ein Miniorchester bestehend aus Keyboard, Darbouka und Gitarre aufgebaut. Am frühen Abend füllte sich dann nach und nach die Wohnung mit den Gästen, die alle nur wegen mir gekommen waren!! Ich war überwältigt und muss sagen, dass dieser Geburtstag einer meiner schönsten Geburtstage gewesen ist.
Ich habe noch viele andere Erlebnisse in Algerien gehabt, schöne und weniger schöne und auch viele komische Erlebnisse. Zusammenfassend muss ich sagen, dass Algerien für mich eine zweite Heimat geworden ist, das die Familie meines Mannes immer auf meiner Seite stand, auch wenn mein Mann und ich mal Streitigkeiten hatten. Das wir nach vier Jahren nach Deutschland gingen hat verschiedene andere Gründe. Vermutlich gehören wir auch zu denen, die in Deutschland bleiben. Mit 21 Jahren hatte ich nicht viel darüber nachgedacht meine Eltern allein zu lassen, heute muss ich sagen, dass wir beide es nicht fertig bekommen meine Eltern noch einmal allein zu lassen.
Ich möchte mich auch für deinen netten Beitrag bedanken. Sehr interessant, wie du deine erste Erfahrung in Algerien geschildert hast. Was mir aufgefallen ist, als ich nach langer Zeit wieder dort war, war die Fahrweise auf den Straßen. Eine für Europäer eher kaotisch anmutende Fahrpraxis, wobei es erstaunlich ist, wie geschickt die Algerier dabei mit ihren Autos umgehen. Busfahren habe ich damals nicht ausprobieren können, aber ich durfte dafür diverse Übelkeitsattacken der Insassen beobachten. Was manchmal unangenehm war, wenn man gerade ungünstig hinter dem Bus fuhr. (Könnte auch sein, dass ich nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war.)
" Busfahren habe ich damals nicht ausprobieren können, aber ich durfte dafür diverse Übelkeitsattacken der Insassen beobachten."
Ich bin damals oft mit dem Bus von Tébessa nach Algier und zurück gefahren und habe diese Übelkeitsattacken am eigenen Leib erfahren!
Da wir gerade beim "Bus fahren " sind.... ich bin einige Male allein mit dem Bus von Tébessa nach Algier gefahren. Da passierte es jedes Mal, das sich der Busfahrer und sein Begleiter um mich kümmerten, mir Essen in den Raststätten kauften und sich sonst irgendwie für mein Wohlergehen verantwortlich fühlten.
wie lange fährt man von Tebessa bis Algier ? Soweit bin ich nur in der Sahara gefahren, aber dort war es ja eine Gerade. So eine lange Fahrt kommt mir heftig vor !
Zitat von SalimaHallo Nadia, " Busfahren habe ich damals nicht ausprobieren können, aber ich durfte dafür diverse Übelkeitsattacken der Insassen beobachten." Ich bin damals oft mit dem Bus von Tébessa nach Algier und zurück gefahren und habe diese Übelkeitsattacken am eigenen Leib erfahren! Da wir gerade beim "Bus fahren " sind.... ich bin einige Male allein mit dem Bus von Tébessa nach Algier gefahren. Da passierte es jedes Mal, das sich der Busfahrer und sein Begleiter um mich kümmerten, mir Essen in den Raststätten kauften und sich sonst irgendwie für mein Wohlergehen verantwortlich fühlten. Lg Salima
Salam Salima,
gut, dass der Fahrer und Beifahrer auf Dich aufgepasst haben. Es erinnert mich etwa an einen algerischen Film "le clandestin" kennst Du? Irgendwo trifft das "illegale Taxi" in der Nähe von Msila auf "Indianer"! Es wird angegriffen und die Fahrgäste werden festgenommen. Hoffentlich hast Du nicht das Gleiche erlebt.
von dem Film habe ich gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen. Ich hatte Glück, ich wurde weder festgenommen und "Indianer" begegneten mir auch nicht... Allerdings einmal hatte ich wirklich ein für mich komisches Erlebnis, vielleicht erzählich ich das später mal.