Algier - Nur sechs Stunden ist der Wirtschaftsminister in Algerien. Doch der Trip war ihm wichtig. Denn die Konkurrenz um Milliarden-Aufträge ist groß. Risiko ist die Terrorgefahr durch Islamisten in der Sahara. Das könnte auch das Wüstenstrom-Prestigeprojekt Desertec behindern.
Philipp Rösler sammelt gerade ordentlich Flugmeilen. Gerade erst war der Wirtschaftsminister in Kalifornien im Silicon Valley, um junge deutsche Computergenies zu ermutigen. Danach ein Ministertreffen in Brüssel, bevor er am Mittwochmorgen einen Regierungs-Jet gen Nordafrika bestieg.
Aus Sicherheitsgründen war der Kurztrip des Vizekanzlers nach Algerien geheim gehalten worden. Noch immer sitzt im Westen der Schock über den Terrorüberfall in der Sahara tief. Mitte Januar nahmen Islamisten Mitarbeiter einer Gasförderanlage im Osten des Landes als Geiseln. Das Ganze endete in einem Blutbad, bei dem auch 37 Ausländer starben.
FDP-Chef Rösler ist der erste aus der Bundesregierung, der jetzt nach Algier gekommen ist. Er will im Interesse der deutschen Wirtschaft ein Zeichen setzen. Die internationale Konkurrenz ist groß. Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton war zweimal in Algier, um für US-Konzerne zu werben. Auch Frankreichs Präsident Francoise Hollande vertritt mit Nachdruck die wirtschaftlichen Interessen der einstigen Kolonialmacht.
Ein deutscher Manager lobt deshalb Röslers Einsatz: «Es ist gut angelegte Zeit.» Anfang der Woche besuchte auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) das 37-Millionen-Einwohnerland.
Die Terrorgefahr oder den militärischen Konflikt im benachbarten Mali spricht Rösler in Algier nicht an. Aber die Sicherung der algerischen Grenze - davon 1.300 Kilometer zu Mali - ist natürlich für die Industrie ein Thema.
Das algerische Militär muss nach Ansicht von Experten aufrüsten, um das Einsickern islamistischer Kämpfer in die Sahara einigermaßen wirkungsvoll zu unterbinden. Der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS könnte dabei helfen. Bereits im Spiel ist Thyssen Krupp. Der wegen seiner Stahlsparte schwer angeschlagene Konzern baut Fregatten für die algerische Marine.
Das Geschäft in Algerien ist schwierig. Korruption, lähmende Bürokratie, nur Minderheitsbeteiligungen für Ausländer und mangelnde Vertragstreue machen deutschen Firmen zu schaffen. Dazu kommen die Sicherheitsrisiken.
Ein Diplomat berichtet, dass sich nach dem Sahara-Anschlag die Anfragen gehäuft haben, ob die Schutzkonzepte gut genug und die eigenen Ingenieure sicher sind. Oliver Masetti, Nordafrika-Experte der Deutschen Bank, sagte kürzlich dem «Wall Street Journal»: «Unternehmen dürften sich jetzt zweimal überlegen, ob sie bei dieser verschärften Sicherheitslage in Algerien investieren.»
Manager, mit denen Rösler in Algier zu Kaffee und Gebäck kurz zusammentrifft, vermitteln einen anderen Eindruck. Sie klagen mehr über die algerische Verwaltung als über Anschlagsängste. Dazu sind die Chancen in dem Land, das dank reicher Öl- und Gasvorkommen ziemlich ordentliche Staatsfinanzen hat, einfach zu verlockend.
Algerien will dreistellige Milliardenbeträge in den Ausbau der Infrastruktur stecken, darunter große Energieprojekte. Rösler bot der Regierung in Algier eine Partnerschaft mit Deutschland an. Als internationaler Vorreiter bei der Energiewende könnte die Bundesregierung auch beim Aufbau einer grünen Strom-Industrie abseits von Öl und Gas helfen.
Im Fokus steht dabei das Wüstenstromprojekt Desertec, an dem RWE, Eon, Deutsche Bank oder Munich Re beteiligt sind. Bis zum Jahr 2050 sollen 400 Milliarden Euro investiert werden und 15 bis 20 Prozent des europäischen Strombedarfs von Wind und Sonnenkraftwerken in Nordafrika gedeckt werden. Attacken islamistischer Kämpfer auf Pipeline- und Förderanlagen sind dabei sicher keine gute Werbung. Der Schutz riesiger Photovoltaikspiegel in der Wüste dürfte schwierig sein.
Desertec-Geschäftsführer Paul von Son sieht das anders. «Umgekehrt wird in Nordafrika ein Schuh daraus. Nur wenn wir dort in die Infrastruktur und in die Stromversorgung investieren, werden wir auch soziale Probleme mit lösen helfen und so dem Extremismus den Boden entziehen». (dpa)