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Alle Religionen teilen Werte
Asghar Ali Engineer setzt auf das emanzipatorische Potenzial des Islam
Asghar Ali Engineer vertritt den indischen Reform-Islam, der die Religionen als Impulsgeber für ein friedliches Zusammenleben sieht. Gestern gab es im Tübinger Rathaus einen Empfang zu Ehren des Trägers des Alternativen Nobelpreises.
Tübingen. Asghar Ali Engineer sieht im Islam wichtige Anstöße für eine Ethik der postmodernen, säkularen Welt. Säkular zu denken, bedeutet für den 70-jährigen Inder: „Toleranz zwischen den Religionen“ und „gleichen Respekt für alle Religionen“. Oberbürgermeister Boris Palmer zeigte sich beeindruckt von dieser Definition. „Viele Menschen teilen diese Auffassung noch nicht. Asghar Ali Engineer symbolisiert den Kampf für eine bessere Welt“, sagte Palmer gestern Vormittag. Der Träger des Alternativen Nobelpreises des Jahres 2004 war auf Einladung von „Brot für die Welt“ in Tübingen. Die Hilfsorganisation unterstützt sein Zentrum für interreligiöse Friedensarbeit in Mumbai gemeinsam mit Misereor und der Heinrich-Böll-Stiftung.
Interreligiöse Gewalt gibt es nicht
„Ein Moslem muss all die Propheten respektieren, die vor Mohammed kamen“, sagte Asghar Ali. Den Übernamen Engineer hat er beibehalten, auch nachdem er 1981 seine Ingenieursstelle bei der Stadtverwaltung Mumbai aufgegeben hat, um sich fortan ganz religiösen Fragen zu widmen. Sein Vater war islamischer Geistlicher im nordindischen Rajasthan. „Die Religionen wurden in unterschiedlichen Ländern, in unterschiedlichen Kulturen offenbart – also müssen sie sich voneinander unterscheiden.“
Konflikte entstünden erst, wenn Religionen dazu instrumentalisiert werden, bestimmte Interessen zu legitimieren. „Es gibt keinen Kampf der Kulturen oder Religionen und keine ethnische Gewalt. Es gibt nur Interessenkonflikte“, betonte der Friedensaktivist. Denn: „Religionen bekämpfen einander nicht. Es gibt Grundwerte, die sie alle teilen: Gleichheit, Gerechtigkeit, menschliche Würde, Recht, Frieden, Mitgefühl, Demut und Wahrheit.“
Der interreligiöse Dialog solle sich an diesen Werten orientieren, und nicht an den jeweiligen Ritualen, die sich in so unterschiedlichen Ländern wie Arabien, Indien oder China historisch jeweils anders herausbildeten, forderte Asghar Ali. „Theologie sollte die Theologie anderer Religionen nie denunzieren – mit dem Anspruch, über den einzigen Weg zur Wahrheit zu verfügen.“ Im Kern sei der Islam eine liberale Glaubensrichtung: „Er stellt es dem einzelnen frei, einer Religion zu folgen oder eben nicht.“
Für Asghar Ali besitzt der Islam sogar das Potenzial für eine Theologie der Befreiung. „Er enthält ein sehr starkes Element, sich für die Armen einzusetzen.“ Denn: „Der Koran spricht sich entschieden gegen die Akkumulation von Reichtum aus.“ Mehr noch: Der Koran versuche, die Reichen für das Leiden der Armen zu sensibilisieren.
Der Islam als Theologie der Befreiung
Der Islam sei eine Aufforderung an reiche Muslime, sich für die Abschaffung der Armut in ihren Ländern einzusetzen – in Indonesien, auf den Philippinen, in Bangladesh, Ägypten und Algerien, betonte der Friedensaktivist. „Man betet nur für sich“, sagte Asghar Ali. Wer aber dafür sorge, dass eine arme Witwe nicht mehr hungern müsse, handle wirklich im Sinne des Glaubens.
Das interreligiöse Friedens-Engagement Asghar Alis kommt aus dem Entsetzen. 1961 erlebte er zum ersten Mal bewusst, was angeblich religiös motivierte Gewalt in mehreren indischen Städten anrichtete. „300 Muslime wurden umgebracht. Ich war zutiefst verstört. Warum töteten Menschen im Namen der Religion?“
Asghar Ali kam direkt vom evangelischen Kirchentag in Bremen. Dort war er eher als Indien-Experte gefragt denn als religiöser Denker und sollte über politische Konflikte in seinem Land berichten, über die Stellung der Frau und der so genannten Unberührbaren. „Die muslimische Bevölkerung nimmt zu in Indien.“ Das liege nicht daran, dass Muslime Familienplanung ablehnten. „Sie sind zu arm und ungebildet, um überhaupt davon zu wissen.“ Wo der Bildungsstand steigt, wie unter den Muslimen im Bundesstaat Kerala, kümmerten sich die Leute auch um Familienplanung.
Text: DOROTHEE HERMANN
http://tagblatt.de/3140835
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koul 3otla fiha l´kheer!